Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt kein Erlegerbild zu dieser Geschichte. Es gibt keine Beute. Aber für mich ist es eines der spannendsten Erlebnisse, die ich bisher auf der Jagd hatte.
Nach einigen Nächten erfolglosen Jagens auf Schwarzwild wurde ich von Freunden abends zum Essen eingeladen. In der Annahme, dass es hinsichtlich Sauen sowieso wieder nichts werden würde, sagte ich zu.
Da ich in während meines Aufenthalts in einer Ferienwohnung wohnte und dort keinen Waffenschrank hatte, die Gastgeber an diesem Abend aber einen haben, nahm ich meine Waffe mit, um sie dort sicher einzuschliessen.
Ich verbrachte also einen sehr schönen und gemütlichen Abend bei dem Jäger-Ehepärchen, an dem wir uns Geschichten über die vergangenen Jagden auf Hirsche während der Brunft erzählten. Nach ein paar Stunden des Zusammenseins machte ich mich dann – in dieser Vollmondnacht – auf den Nachhauseweg. Dieser Weg führte genau am Revier entlang, weswegen ich beschloss die einsehbare Fläche mit der Wärmebildkamer einmal abzuglasen. Und prompt! Eine Rotte Sauen von etwa 15 Stück. Der Wind stand denkbar schlecht, sodass ich mit dem Auto einen großen Bogen fuhr und den Wagen auf einem Weg abstellte. Von hier aus sollte ich die Rotte angehen können. Gerade die Ohrschützer aufgesetzt, begann es plötzlich wie aus Eimern zu regnen. Ich sah an mir herunter, betrachtete einen Moment nachdenklich meine Jeanshose und die Turnschuhe, öffnete dann aber entschlossen die Fahrzeugtür und stand im strömenden Regen. Egal. Waffe raus, geladen und los auf dem bereits matschig gewordenen Feldweg. Während meine Füsse im Schlamm versanken und mir die Regentropfen in die Augen liefen, fragte ich mich kurz, ob ich wohl noch alle beisammen hätte.
Endlich an der Stelle angekommen, an der ich die Rotte vorher gesehen hatte, war sie weg. Ich wollte mich gerade ärgern, da hörte es auf zu regnen und ich beschloss einen Moment abzuwarten. Vielleicht würden die Sauen nach dem Sturzregen ja wieder aus der Dickung herauskommen. Ich stand da also eine Weile und schaute immer wieder durch die Wärmebildkamera als ich plötzlich an einer anderen Stelle etwas Helles sah. Ich pirschte mich vorsichtig heran bis ich erkennen konnte: Sauen!
Diese standen aber eng beisammen im Schilf und ich konnte keinerlei Struktur erkennen. Zwischen mir und dem Schilf, in dem die Sauen standen war eine Wiese, die vom Mond taghell erleuchtet wurde. Wie sollte ich da unbemerkt an die Sauen dran kommen? Es befanden sich zum Glück aber noch einige eingepackte runde Heuballen auf dem Feld, sodass ich mich in der Flucht zwischen Sauen und Heuballen mich näher heranpirschen konnte. So stand ich dann also auf etwa 60 Meter vor dem Schilf und konnte immer noch keine Rottenstruktur ausmachen. Alles wuselte durcheinander, ich konnte weder erkennen, wieviele Stücke da waren noch ob es sich um eine Bache mit Frischlingen oder vielleicht einen Überläufertrupp handelte. Also: Näher dran! Ein paar Meter weiter links vorne stand noch eine Heuballe. Ich betete inständig, dass mich beim Wechsel der Flucht zwischen Sauen und Heuballe, keine Sau mitkriegen würde. Geschafft. Ich stand geduckt hinter dem Ballen. Nun bin ich also leiser näher ran bis ich hinter dem Heuballen stand, der sich etwa 15 Meter vor den Sauenbefand. Phu geschafft. Nun konnte ich immerhin durch das Schilf erkennen, dass ein einzelnes Stück sich etwas absonderte. Ob die anderen Frischlinge waren oder gleich groß wie die einzelne Sau konnte ich aber noch immer nicht erkennen. Während ich verzweifelt versuchte genaueres auszumachen, steuerte das einzelne Stück, welches ich inzwischen eindeutig als Bache angesprochen hatte direkt auf mich zu. Mir blieb das Herz stehen, ich traute mich kaum noch zu atmen. Ich sah vorsichtig an der Wärmebildkamera vorbei, da ich aufgrund der 4-fach Vergrösserung (kleinstmögliche Einstellung) nur noch weiss sah. Im hellen Mondlicht sah ich die Bache nun auf etwa 5 Meter vor mir. Und sie machte nicht den Anschein stehen bleiben zu wollen. Als sie etwa 3 Meter vor mir stand glaubte ich mein Kopf zerspringt vor Aufregung. Ich betete inständig, dass sie abdrehte, bevor sie mich mitkriegen würde. Der Wind war perfekt. Kurz bevor sie an der Heuballe gewesen wäre drehte sie nach links ab und begann in der Wiese zu brechen. Kurze Zeit später zog sie zurück zu den anderen Sauen im Schilf. Für mich sah es so aus, als hätte sie den anderen Ssuen zu verstehen geben wollen: „Komm lass uns abhauen, rüber auf den Maisacker!“ Der Maisacker befand sich etwa 130 Meter hinter mir.
Die Bache zog also erneut aus dem Schilf heraus und zügig Richtung Mais. Bereits jetzt hoffte ich, dass die anderen schnell nachziehen, denn nur noch einige Meter hatte die Bache bis sie direkt in meinen Wind käme. Da zogen auch tatsächlich fünf weitere Sauen aus dem Schilf heraus auf die Wiese und befanden sich nun in etwa 30 Meter Enfernung links neben mir und dem Heuballen. Ich hatte mich längst fertig gemacht und als ich alle Stücke als gleich groß und schwer angesprochen hatte, hatte ich auch die Waffe gespannt. Ich hatte ein Stück im Absehen und hoffte inständig, dass das dahinterstehende Stück endlich weiter ziehen würde, damit meine Sau freistünde. Ich wusste, es wäre jetzt nur noch eine Sache von Sekunden bis ich schiessen könnte. Genau in dem Moment als ich mich fragte wo wohl die erste Bache geblieben wäre, hörte ich sie direkt hinter mir Blasen. VOLLALARM! Die Bache blies und plötzlich befanden sich alle anderen Sauen um mich herum. Auf 360 Grad überall eine Sau! Was ging mir da die Pumpe… Als bereits alle Sauen wieder im Schilf waren, stand die eine Bache da noch immer und blies – deutlich verärgert – in meine Richtung.
Was ein Erlebnis.
Auf dem Weg zurück zum Auto, nun wieder spürend wie durchnässt ich war, ging mir dieser Spruch durch den Kopf, den ich mal gehört hatte: „Nicht geschossen ist auch gejagt.“ Nun habe ich ihn verstanden.
Noch Stunden danach sass ich total aufgekratzt in der Wohnung und ging das Erlebte im Kopf immer wieder durch. Wirklich unbeschreiblich war das. Klar wäre es toll gewesen, am Ende auch mit Beute nach Hause zu gehen. Aber dann hätte ich nicht erlebt wie ich plötzlich inmitten einer Rotte Sauen stehe. Diese Erlebnis würde ich nicht eintauschen wollen.
Jagen ist vor allem erleben und danach erst Beute machen.
Ich habe oft ohne Waffe mehr erlebt als mit. Umso schöner war dein Bericht zu lesen!
WMH
Harald
LikeGefällt 1 Person
Herzlichen Dank Harald! Auch dir weiterhin ganz viel Waidmannsheil!
LikeLike
Hallo, ich habe gesehen das Du meinen Account als Follower in Instagram folgst und wurde so auf deinen Blog aufmerksam.
Meiner Meinung nach hast Du einen der schönsten in der Beschreibung deiner Absichten, deine jagdliche Passion und in der ausdrucksweise Accounts die ich seid langer Zeit gesehen habe. Eine Huntress mit Herz und Verstand, die das Jagdliche in Bilder und Worten sehr schön beschreibt. Bitte höre nicht auf den Blog, stets mit deinen Worten zu füllen. Es macht großen Spass dir zu folgen.
Dir stets viel Anblick und ein dickes Waidmannsheim
Gruß Stefan Reinhardt
LikeLike
Vielen herzlichen Dank Stefan, das freut mich sehr!! Ich bemühe mich, weiterhin die Dinge, die ich erlebe, niederzuschreiben. Auch wenn ich manchmal etwas hinterherhänge 😉 Liebe Grüße und auch dir viel Waidmannsheil und natürlich: Frohe Weihnachten!
LikeLike
Wenn ich das so lese , kommen einem die Tränen in die Augen. Es ist so viel Passion da drin, daß es mir wirklich schwer fällt zu schreiben. Auch und gerade solche Erlebnisse machen die Jagd aus. Nicht nur das Schießen, nein auch das Sehen und Erleben der Natur ist Jagd. Herrmann Löns hätte das so erlebte nicht besser verfassen können. Waidmannsheil und allzeit Gesundheit für den Verfasser sowie alle anderen Jagdkameradinnen und Kameraden. Wdmh
LikeLike
Hallo Hanjo, ich danke dir ganz ganz herzlich für deinen Kommentar, welcher mich wiederum sehr gerührt hat. Ich freue mich so sehr, wenn es mir gelingt, in einem Bericht etwas von dem, was ich bei bestimmten Jagderlebnissen gefühlt habe, mitzuteilen. Liebe Grüße, danke fürs Lesen und Kommentieren und WAIDMANNSHEIL!
LikeLike