Ich frage mich wie das sein kann. Dass ein Ort glücklich machen kann. Egal ob die Sonne scheint oder ob es tagelang in Strömen regnet.
Vor Jahren habe ich davon geträumt auszuwandern. Nach Montana. Auf eine Ranch. Dort wollte ich Rinder und Pferde züchten und mich am besten in einen Cowboy verlieben. Diesen Traum habe ich vor langer Zeit schon aufgegeben, weil ich glaubte, dass die Realität dann ganz anders aussähe. Aber der Traum von der Freiheit und vom Ankommen ist geblieben. Dass dieser Traum plötzlich ohne Vorankündigung Realität würde und auch noch viel schöner als jemals phantasiert, damit habe ich nicht gerechnet. Mein Traum ist mir einfach vor die Füsse gefallen.
Das letzte Mal als ich unterwegs Richtung Revier gefahren bin, ging es mir gar nicht so gut. Ich befürchtete schon, dass der Aufenthalt dort diesmal anders sein würde. Dass ich meine Traurigkeit mitnehmen würde und mein Blick auf die Schönheit dieses Fleckens Erde getrübt wäre. Ich hatte einen Kloss im Hals und fühlte mich müde. Mein Herz war verkrampft.
Ich fuhr auf der Landstrasse, liess den Blick über die Felder und Wiesen streifen und spürte plötzlich wie ich mehr Sauerstoff in die Lungen bekam, ich konnte auf einmal wieder durchatmen. Mit dem Durchatmen kamen die Tränen. Es waren aber keine Tränen der Trauer sondern der Erleichterung. Weil ich das Gefühl hatte, hier an diesem Ort darf ich sein wer und wie ich bin. Es fühlte sich an, als würde diese wunderbare Natur mich in den Arm nehmen und mir leise mit dem Wind zuflüstern: „Alles ist gut, du bist zuhause, in Sicherheit und frei!“
Bereits beim ersten Reviergang waren alle trüben Gedanken verflogen. Aufregung und Vorfreude auf die nächsten Jagdtage nahmen den Platz ein, an dem vorher noch Müdigkeit war.
Ganze sechs Tage habe ich jede Nacht auf Schwarzwild angesessen und gepirscht, ohne Waidmannsheil. Tagelang lief ich in nassen Klamotten herum, die auch in den paar Stunden, in denen ich mich schlafen gelegt hatte, nicht mehr trocken wurden. Bereits bei der Ankunft auf dem Hochsitz war ich klatschnass. Trotz Vorsatz, spätestens um zwei Uhr nachts abzubaumen, konnte ich mich nicht vom Hochsitz losreissen. Gerade als ich gedacht hatte, ich sollte vielleicht doch mal ins Bett, veränderte sich die Sicht durch den Mond oder später durch die Morgendämmerung. Gerade als mir drohte langweilig zu werden, begangen die Vögel mich zu unterhalten. Ich wollte einfach nicht weg.
Eine Woche später – auf dem Weg nach Hause – ging mir ein Satz durch den Kopf: „Wenn man glücklich ist, braucht man plötzlich nichts mehr“. Ich erinnerte mich daran, wieviele Jahre ich Dingen nachgejagt bin, von denen ich geglaubt habe, wenn ich sie erreichen würde, würde ich glücklich sein. Hätte ich gewusst, dass ich nichts ereifern muss, um zufrieden zu sein… Anhalten und geniessen reicht. Warum habe ich das nie gehört? Gesagt hat es bestimmt einmal jemand. In der Rückschau erscheint es mir so, als hätte ich jahrelang einen Rucksack voller Belang- und Sinnlosigkeiten mit mir herumgeschleppt. Wie einfach es doch schon früher hätte sein können, ihn einfach abzuwerfen und mit Leichtigkeit weiterzuhüpfen. Aber manches hat und braucht vermutlich einfach seine Zeit.