Den ganzen Weg

Das ein oder andere Mal schon stand ich vor einem erlegten Stück und hätte die Option gehabt, das Wildbret zu übernehmen. Nur zu gerne wollte ich das tolle Fleisch in meiner Gefrierkühltruhe haben. Nur: wie kriege ich es dahin? Meist war ich nicht „um die Ecke“ zur Jagd, sondern mehrere Autostunden entfernt.

Im Crashkurs zur Jägerprüfung bekommt man gerade einmal einen Film gezeigt, wie man aufbricht. Umso dankbarer war ich, dass ich oft von anderen Jägern erlegte Stücke unter deren Anleitung aufbrechen durfte. Egal ob Reh-, Rot- Schwarz- oder Muffelwild. Ich bekam viele hilfreiche Tips, gerade wie ich z.B. das Schloss oder die Rippen bei stärkeren Stücken aufbekomme. Als Frau mit einer kaputten Schulter ja nicht unbedingt bei jedem Stück eine Leichtigkeit. Inzwischen bin ich ein Fan der Aufbrech- bzw. Jagdschere von Löwe. Damit sind diese Schwierigkeiten passé.

Aber eigentlich ging es mir gerade gar nicht ums Aufbrechen, sondern um die Frage, wie ich denn nun das aufgebrochene Stück Wild bis in meinen Gefrierschrank bekomme. Das erlegte Wild am Stück ins Auto auf die Rückbank geht natürlich, solange es beispielsweise ein Reh oder ein Frischling ist (und es sich bei dem Fahrzeug nicht gerade um einen Neuwagen handelt). Aber wohin dann mit dem restlichen Gepäck? Und sperrig ist das dann auch. Und selbst wenn irgendwie noch alles ins Auto geschoben werden kann und die Türen noch alle zugehen: Was wenn ich morgens um 0400 oder nachts um 2400 beim Zerwirker ankomme? Na den brauche ich um diese Zeit nicht aus dem Bett klingeln. Ich wollte ja nicht selbst zerwirkt werden…

So fand ich, dass ich an dieser Stelle autonomer werden musste. Meinen lieben Jagdfreund, mit dem ich öfters in Sachsen jagen durfte, beobachtete ich einige Male aufmerksam dabei, wie er Stücke aus der Decke schlug und dann grob zerwirkte. So passte dann alles bereits in eine oder mehrere Trageboxen, problemlos jedenfalls ins Auto. Mit einigen Packungen crashed Ice bleibt auch alles gekühlt, wenn das Wildbret vorher richtig heruntergekühlt war. Ist der Zerwirker aber immer noch im Tiefschlaf habe ich das zweite Problem auch noch nicht gelöst. Wie also kann ich mein Wildbret selbst zerwirken und einvakumieren?

Hierfür bot mir ein Freund an, anhand zweier Stücke Rehwild alles zu erklären und zu zeigen. Der Zerwirker braucht für ein Stück vermutlich 1-2 Stunden. So dachte ich also, wenn wir uns morgens um 0930 an der Kühlkammer treffen, wäre ich nach dem Mittag fertig. Um 21 Uhr fiel ich todmüde auf die Couch…

Dennoch hat es einen riesen Spass gemacht und ich habe nun für die Zukunft immer einen Plan B. Ich kann die erlegten Stücke aus der Decke schlagen und grob zerwirkt in Transportboxen mit nach Hause nehmen. Dort wiederum passen sie – zumindest Reh- und kleinere Stücke Schwarzwild – auch in den Kühlschrank (hierfür muss halt mal kurzzeitig das Bier herausgeräumt werden). Dann kann ich am nächsten Tag in aller Ruhe sauber zerwirken, einvakumieren und beschriften.

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Für den Fall, dass ich vor Ort keine Möglichkeit hätte das Stück grob zu zerwirken habe ich darüber nachgedacht, in der Wohnung an einem Balken an der Decke einen Haken anzubringen, wo ich dann ein Stück aufhängen könnte. Ich fürchte jedoch, das geht dann zu weit…

Abgesehen vom praktischen Aspekt hat mir das Zerwirken jedoch eine erweiterte Perspektive ermöglicht. Wo ich doch bis dahin gerademal wusste wo Nacken, Schulter oder Keule ist, so habe ich nun vielmehr Einblick in die Anatomie und den Aufbau eines Stück Wildes bekommen. Bis anhin habe ich jedes Mal wenn ich ein Stück Fleisch aus einer Verpackung genommen habe gedacht, dass man ja wohl etwas sauberer zum Beispiel die Sehnen hätte wegschneiden dürfen. Nachdem ich nun weiß wieviel Arbeit das ist, sehe ich die Arbeit vom Zerwirker mit ganz anderen Augen.

Ich bin froh, nun auch das letzte Stück des Weges vom lebenden Stück Wild bis auf den Teller „erschlossen“ zu haben. Noch mehr Demut.


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