Der 1. Bock, das ist wohl ein Erlebnis, welches kein Jäger jemals vergisst. Auch ich erinnere mich sehr gut und sehr gerne daran zurück.
Ein Freund von mir lud mich ein, im Revier seiner Familie meinen ersten Bock zu erlegen. Ich folgte dieser Einladung, zunächst war ich mir jedoch unsicher, ob ich tatsächlich schiessen würde, wenn es soweit wäre. Ganz dankbar war ich daher, dass es nicht gleich bei den ersten beiden Ansitzen gepasst hat. Wir hatten zwar Anblick, jedoch war kein passender Bock dabei. Dafür geschah etwas ganz anderes: Ich bemerkte bei mir selbst ein mir bis dahin unbekanntes Gefühl. Vermutlich eine Mischung aus Aufregung, Anspannung, Neugier, verbunden mit Herzklopfen und Unsicherheit wenn ein Stück austrat. Ich sollte erst später verstehen, dass dieses Gefühl sich immer wieder einstellt, wenn ich zur Jagd gehe, heute nenne ich das Jagdfieber.
Dieses Jagdfieber führte dann allerdings auch dazu, dass ich mich beim 3. Ansitz innerlich richtig bereit fühlte, mein erstes Stück zu erlegen. Ich war bereit, eine Grenze zu überschreiten, die ich bisher in meinem Leben nicht einmal in Sichtweite erlebte. Den Übergang von Leben und Tod selbst herbeizuführen.
Am 15.05.2016 war es dann soweit. Mein guter Freund und Jagdführer und ich sassen bereits eine Weile auf der Kanzel als ein Bock die Fläche an einem Hang betrat und sich der Kirrung näherte. Während er den Bock durch das Fernglas ansprach, machte ich mich für einen sicheren Schuss fertig. So wie ich das vorher bereits mehrere Male durchgespielt hatte. Ich spürte seine Aufregung noch mehr als meine eigene. Mit knappen Worten erklärte er, dass dies ein passender Bock sei und ich schiessen solle. Sein Blickwinkel auf das Stück war so, dass es aus seiner Sicht breit stand. Aus meiner Perspektive war es aber noch nicht ganz „perfekt“. Ich wollte hunderprozentig sicher sein, sodass es für ihn eine gefühlte Ewigkeit dauerte. Kurz vor dem Schuss bemerkte ich, dass die ganze Kanzel wackelte. Aber das war nicht ich, das war mein Jagdführer, der scheinbar noch aufgeregter war als ich. Ein Umstand über den wir heute noch immer schmunzeln.
68 Meter, der Bock stand breit, ich konnte mich vom Schuss überrraschen lassen. Er fiel im Knall und ich war heilfroh, dass alles so schnell vorbei war. Erst nach der Schussabgabe fing ich am ganzen Körper an zu zittern und bat meinen Jagdfüher mir die entspannte Waffe abzunehmen. Das war es also. Das erste Mal.
Eine Mischung aus Freude, Stolz und Bestürzung machte sich in mir breit. Nun hatte ich also tatsächlich einem Tier das Leben genommen. Kaum begann ich über diesen Umstand nachzudenken, betrat ein weitere Bock die Wiese. Diesen Moment werde ich niemals wieder vergessen. Denn der Bock verhielt sich – obwohl er um das erlegte Stück herum äste – so, als wäre nichts passiert. Dies vermittelte mir das Gefühl, dass es in Ordnung ist. Das dies eben der Lauf und der Kreislauf des Lebens ist. Es fühlte sich richtig an, nachdem ich in meinem Leben schon so viel Fleisch gegessen habe, nun selbst auch einen Rehbock erlegt zu haben. Die Aufgabe des „Tötens“ also nicht weiter innerlich wegzuschieben und an andere zu „delegieren“, sondern sozusagen dafür gerade zu stehen, dass ich Fleisch essen möchte.
Einige Minuten später trat ich an das Stück heran und bat meinen Jagdfüher, mich kurz mit dem Bock alleine zu lassen. Ich ging in die Knie und bedankte mich in Gedanken bei ihm. Dafür, dass er für uns Menschen sein Leben gelassen hat. Ich stellte mir vor, wie seine Seele nun einen Platz an einem anderen Ort findet. Einen Ort, an dem er alles hat was er braucht.
Beim Aufbrechen stellten wir fest, dass der Bock am Vorderlauf eine Verletzung hatte, beim Zerwirken zeigte sich, dass der Knochen zweimal gebrochen war. Dies erklärte auch das abnorme Gehörn.
Einige Tage später trafen wir uns mit Freunden und die Familie in dessen Revier ich jagen durfte, schenkte mir einiges vom Wildbret. Sogar den Rücken konnten wir auf den Grill legen. Zunächst war es ein seltsames Gefühl, dieses Stück zu essen. Da wusste ich noch nicht, wie sehr ich dies in Zukunft zu schätzen wissen würde. Dass der Jährlingsbock von 14 kg hervorragend schmeckte brauche ich vermutlich nicht extra zu erwähnen.

Herzlichen Dank für dieses Jagderlebnis!